Hildegard Aepli

Auf seine ganz eigene Weise die Welt gestalten

Frau Aepli lernte ihre Freundin Gabriela Thaddey im Theri kennen. Diese schrieb ihr kürzlich folgende SMS: «Erinnerst du dich daran, dass wir damals ein Silja-Walter-Theaterstück aufgeführt haben?» Die zwei Frauen spielten damals beide im Stück «Tobit und Jaira» mit. Diese Erinnerung hat Frau Aepli zwar nicht direkt zu ihrem heutigen Schaffen angeregt, solche Erfahrungen wie das Theaterspiel und die Sprache von Silja Walter sind jedoch wichtige Senfkörner ihrer Biografie.

Wofür sind Sie als ehemalige Schülerin des Theresianums besonders dankbar?

Ich bin in einem kleinen Bergdorf aufgewachsen. Ich litt darunter, dass ich keine Freundin hatte. Ich habe im Theri endlich viele Mädchen um mich herum gehabt und meine erste Freundin gefunden. Wir sind Freundinnen bis heute. Das ist ein grosses Geschenk.

Wie kamen Sie zum Theologiestudium?

Als Primarlehrerin wurde mir bald klar, dass ich nicht ein Leben lang in der Schule arbeiten wollte. Ich wünschte mir Arbeit mit Menschen, die freiwillig lernen wollen. Ich machte ein Sabbatjahr, lernte Portugiesisch und nahm an einer Reise der Schweizer Jesuiten nach Nordostbrasilien teil. Ich blieb vier Monate. Die Begegnung mit einer total neuen Wirklichkeit, mit der Armut, mit dem Reichtum der Armen, mit der Armut meines eigenen Herzens stellte mein Leben auf den Kopf. Ich begann viel tiefer über mich und den Sinn des Lebens nachzudenken. Damit einher ging die Frage meiner Zukunft. Als ein Reiseteilnehmer sagte: «Du könntest doch Theologie studieren», wollte ich davon nichts wissen. Ich sah mich nicht an einer Uni. Aber ich tat den Schritt dann doch. Ich wollte dem christlichen Glauben auf den Grund gehen.

Sie sind seit dem Jahre 2000 als Exerzitienleiterin tätig. Was macht Ihre Tätigkeit aus?


Ich begleite Menschen, die sich selbst und Gott suchen. Durch die Methode der ignatianischen Spiritualität leite ich sie an, wie sie über die Betrachtung von Bibeltexten und durch die Stille in diese Beziehung hineinwachsen, sie reflektieren und Sprache dafür erlernen können. Ein wichtiger Teil dieser Arbeit sind die Gespräche, die sogenannte geistliche Begleitung.

Wie gestalten Sie Ihre Freizeit? Wie schaffen Sie einen Ausgleich zur Arbeit?

Im Sommer liebe ich es, in den «Drei Weieren» ob St. Gallen zu schwimmen. Im Herbst und im Frühling mache ich Lauftrainings. Im Winter Langlauf. Ich lese viel. Zum Beispiel: Gedichte, spirituelle Literatur, Theologie, Belletristik. Ganz wichtig sind mir meine Freundinnen und Freunde, meine Geschwister und ihre Familien. Ich habe 17 Neffen und Nichten. Ich bin alleinstehend, da sind mir alle diese Beziehungen sehr kostbar.

Sie waren von St. Gallen bis nach Jerusalem zu Fuss unterwegs. Gibt es einen Ort, den Sie besonders in Erinnerung haben?

Es sind so viele Orte und Begegnungen, die sich in meiner Seele eingebrannt haben. Zum Beispiel die Begegnung mit der Familie Kachraman in der Pampa des anatolischen Hochlands: Wir landeten nach einer strapaziösen Tagesetappe in einem grossen Dorf. Aber es gab keine Unterkunft. Als wir in einer Teebude fragten, wo wir schlafen könnten, rief einer die Kachramans an. Wir übernachteten in einer typisch türkischen Stube bei Privatleuten und wurden ausserdem von ihnen selbstverständlich verköstigt. Bezahlen durften wir nichts.

Sie setzen sich für die Gleichberechtigung der Frau in der Katholischen Kirche ein. Unter anderem mit dem Film «Habemus Feminas» und Ihrem im Dezember 2018 erschienenen Buch «Ein weiter Weg. 1’200 Kilometer für eine Kirche mit den Frauen». Warum sind die Frauen Ihrer Meinung nach in der Kirche untervertreten?

Die Frage, die mich beschäftigt, ist nicht die Untervertretung der Frauen, sondern, dass Frauen nicht die gleichen Möglichkeiten bekommen. Frauen können über die wesentlichen Fragen und Entwicklungen in der Katholischen Kirche leider noch nicht gleichberechtigt mitreden, mitdenken und mitentscheiden.

Ist dieses Anstreben der Gleichberechtigung in der Kirche unabhängig vom gesellschaftlichen Begehren der Gleichberechtigung der Frauen entstanden? Oder geht dies damit einher?

Ich erzähle Ihnen, wie das Projekt «Für eine Kirche mit* den Frauen» entstand: Am 13. September 2013, es war ein Eidgenössischer Dank-, Buss- und Bettag, schoss der Blitzgedanke in mich ein, ob nicht jetzt bei diesem Papst der Zeitpunkt da wäre, für die Gleichberechtigung der Frauen nach Rom zu pilgern und dafür ein Zeichen zu setzen. Ich fragte gleichentags zwei meiner Freunde, ob sie mitpilgern würden. Sie sagten spontan zu. Wir sind drei Jahre später 1’200 Kilometer für die Gleichberechtigung der Frauen nach Rom gepilgert. Dafür haben wir ein Zeichen gesetzt.

Was möchten Sie den Schülerinnen und Schülern des Theresianums mitgeben?

Liebe junge Frauen und Männer im Theri: Behalten und pflegen Sie einen Faden zu Gott, träumen Sie, lassen Sie Visionen kommen, packen Sie an, engagieren Sie sich. Gestalten Sie auf Ihre Weise diese Welt mit.

Mehr Infos

Film Trailer «Habemus Feminas» online unter:
https://www.habemus-feminas.com
Informationen zum neuesten Buch online unter:
https://www.kirche-mit.ch/buchprojekt
Blog zu Fuss nach Jerusalem online unter:
http://blog.lassalle-haus.org/
Homepage Geistliche Begleiterin online unter:
www.geistliche-begleitung.ch
Bistum St. Gallen
https://www.bistum-stgallen.ch/bistumsleitung/spiritualitaet-und-bildung/


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Hildegard Aepli
19. April 1963, geboren in Luzern

Wohnort
1966–1984 aufgewachsen in Vättis SG
Aktuell in St. Gallen

Ausbildung
1975–1978 Untergymnasium in Ingenbohl
1978–1983 Lehrer*innenseminar Sargans
1989–1994 Theologiestudium in Luzern, Auslandsemester in Brasilien
1998–2000 Berufsbegleitende Ausbildung zur Geistlichen Begleiterin
1999–2001 Berufsbegleitende Ausbildung zur Bibliodramaleiterin

Weiterbildung und Tätigkeiten
1983–1989 Primarlehrerin in Amden
1994–2000 Pastoralassistentin in Lichtensteig, Oberhelfenschwil und St. Peterzell
2000–2011 Hausleiterin des Convict Salesianum und Geistliche Begleiterin der deutschsprachigen Theologie-Studierenden in Fribourg
Seit 2000 Regelmässige Exerzitienleitertätigkeit, Erwachsenenbildung und geistliche Begleitung
2011 Zu Fuss von der Schweiz nach Jerusalem zusammen mit Franz Mali, Esther Rüthemann, Christian Rutishauser
Seit 2012 Veröffentlichung von vier Büchern im Echter Verlag wie etwa mit dem Buch: «Vier Pilger – ein Ziel. Zu Fuss nach Jerusalem»
Seit 2012
- Mitarbeiterin im Pastoralamt des Bistums St. Gallen
- Pastoralassistentin der Dompfarrei St. Gallen
- freischaffend zu 30 %
Seit 2013 Initiantin des Projektes «Für eine Kirche mit* den Frauen»,
2016 Pilgerweg St. Gallen – Rom, 2017 Premiere des Kinofilmes «Habemus feminas», Dezember 2018 Buchpublikation «Ein weiter Weg. 1200 Kilometer für eine Kirche mit den Frauen» erhältlich im Verlag am Klosterhof, St. Gallen (info@sg.kath.ch)