Veronika Elsener

Es ist unerlässlich, für das Leben eine Vision zu haben

Als Abschlussarbeit im fünften Jahr des Lehrerinnenseminars im Theresianum galt es, eine Diplomarbeit abzuliefern. Unter Zeitdruck hatte eine Klassenkollegin von Veronika Elsener ihr erlaubt, bei der Firma ihres Vaters Kopien von der Arbeit zu erstellen. So kam es, dass sie bei der Kopierarbeit ihren späteren Mann kennenlernte und die Familiengeschichte nahm ihren Lauf.

Wofür sind Sie als ehemalige Schülerin des Theresianums besonders dankbar?

Während fünf Jahren war der Theri-Hügel, umrandet von beeindruckender Bergkulisse, mit lichtdurchfluteter Jugendstilhalle, Galeriebogen und dem wunderschönen Park, mein zweites Daheim. Damals durften wir nur alle zwei bis drei Wochen nach Hause fahren und haben somit auch die Wochenenden dort verbracht, was zu einem starken Gemeinschaftsgefühl beigetragen hat. Dankbar bin ich für das inspirierende, vielfältige Lernumfeld, welches ich bei den Ingenbohler Schwestern vorgefunden habe. Dieses hat mir nicht nur akademisches Wissen vermittelt, sondern mich auch in meiner Persönlichkeit geprägt. Daneben habe ich praktische Werte wie Durchhaltevermögen, Belastbarkeit, Gewissenhaftigkeit, Einfühlungsvermögen, Dankbarkeit, Demut und auch Respekt erfahren oder von den Schwestern vorgelebt bekommen. Insgesamt ein Lebensabschnitt, der mir ermöglichte, zusätzlich zu meinem Elternhaus, mein Fundament auszubauen und zu stärken für die sinnreiche Gestaltung meines weiteren Lebens.

Wie verlief Ihre Ausbildung? Haben Sie schon früh erkannt, wo es Sie hinzieht im beruflichen Bereich? Oder waren Umwege nötig, um die wahre Berufung zu finden?

Bereits während der Ausbildung zur Primarlehrerin waren Themen aus Wirtschaft, Management oder Geschichte meine Steckenpferde und ein Studium in diesen Bereichen angedacht. Nach meinen Praxisjahren als Primarlehrerin, meiner Heirat und der Weiterbildung zur Kauffrau habe ich mich Schritt für Schritt hin zu meinem jetzigen Tätigkeitsfeld bewegt. In diesen abwechslungsreichen, interessanten und herausfordernden Jahren durfte ich mich in neue Fach- und Aufgabengebiete einarbeiten. Auch wenn dies einiges abverlangte neben Arbeit und Familie, habe ich Bereicherung, Entwicklung und Freude dabei erfahren. Es erfüllt mich mit Dankbarkeit, dass sich mir diese einmalige Chance zur Weiterentwicklung der Marke und des Marketings bot. Später kam die Führungsverantwortung dazu, das heisst im weitesten Sinn auch das Anleiten von Menschen. In dieser Rolle knüpfe ich an meine ursprüngliche Ausbildung im Theri an. Früher habe ich als Primarlehrerin Schüler angeleitet, heute tue ich dies mit meinen Mitarbeitenden.

Das Marketing bei Victorinox ist äusserst vielfältig. Was davon gehört zu Ihren Herzensangelegenheiten?

In der Tat ist das Marketing bei Victorinox eine vielfältige und zugleich herausfordernde Aufgabe. Unsere globale Tätigkeit, die fünf Produktkategorien, zwei Marken und unterschiedliche Distributionsmodelle, on und offline verlangen nach viel Flexibilität, aber auch Konsistenz. Neben dem klassischen Marketing umfasst dieser Bereich bei Victorinox auch die Markenführung, sprich die Entwicklung der Markenstrategie, deren Implementierung und das Controlling. Tatsächlich ist Markenführung für mich zur Passion geworden und meiner Meinung nach ein Wettbewerbsvorteil im heutigen kompetitiven Umfeld. Eine Marke funktioniert wie ein Leuchtturm, der Vertrauen, Orientierung und Differenzierung ermöglicht. Sie muss zeitgemäss geführt werden, folglich den veränderten Erfordernissen des Marktes, der Kunden sowie des Wettbewerbs angepasst werden und dabei sich selbst treu bleiben. Als Messerfabrik und Hersteller des «Swiss Army Knife» rund um den Globus bekannt geworden, sind über die Jahre neue Produktkategorien dazugekommen. Dadurch ist auch die Anforderung gewachsen, mit der Markenstrategie ein Fundament und einen Rahmen zu schaffen, um eine relevante, konsistente und nutzenorientierte Kommunikation von der Marke zum Produkt sicherzustellen – besonders im Kontext der zunehmenden Anzahl von direkten Kundenkontaktpunkten wie zum Beispiel Social Media, Website oder eigenen Läden. Die Entwicklung und Durchsetzung der Markenstrategie sowie insgesamt die schnell getaktete digitale Transformation haben an mich sowohl Chancen als auch Herausforderungen herangetragen. Die Bereitschaft zum kontinuierlichen Lernen, in einem komplexen Umfeld ständig nach Vereinfachungen zu suchen und dabei doch «beständig» zu bleiben, ist für die Aufgabe zentral. Parallel dazu hatte ich die Möglichkeit, ein internationales, kompetentes Team aufzubauen. Ich bin allen dankbar, die mir vertraut und mich auf diesem Weg begleitet und unterstützt haben.

Wie haben Sie Familie und Beruf unter einen Hut gebracht?

Gibt es dazu eine Patentlösung? Es ist fast etwas Unmögliches, ein glückliches Familienleben, eine harmonische Partnerschaft und obendrauf ein avanciertes Berufsleben gleichzeitig zu haben. Auch wenn man bestens organisiert und bereit ist, hart zu arbeiten. Das funktioniert in der Realität nicht. Gleichzeitig «alles» zu haben, ist nicht möglich. Vielmehr gilt es, je nach Lebensabschnitt einen bestimmten Fokus zu setzen.
Darüber hinaus geht es um gegenseitige Unterstützung, aber auch die Bereitschaft zu einem gewissen Verzicht zugunsten der Partnerschaft oder Familie. Das bedeutet nicht unbedingt einen Nachteil. Es ist eine Frage des Blickwinkels, man gewinnt immer auch etwas dabei. Wenn man sich zu einer Familie entschliesst, gilt es, diese in den Mittelpunkt zu stellen und ihr Priorität einzuräumen. Es ist eine lohnende Aufgabe, als Eltern eigenständige, aufmerksame und mitfühlende Menschen zu erziehen. Zugleich fordern Kinder die Teamarbeit, sie helfen uns, sich neu zu sehen und bringen ungemein viel Kreativität. Ich glaube hier auch für meinen Mann zu sprechen – die Aufgabe als Eltern hat uns ungemein gefordert, aber auch bereichert und weiterentwickelt.

Wie sehen Sie die grossen Veränderungen im Bereich Marketing und wie steht dies im Zusammenhang mit ihrer Rolle als Stiftungsrätin der gfm?

Getrieben von Pandemie, Globalisierung, Digitalisierung und verändertem Kundenverhalten wird das Unternehmensumfeld immer komplexer und dynamischer. Wir haben immer weniger Zeit zur Verfügung, als es aufgrund der Komplexität nötig wäre. Man spricht von vielen Trends, welche zu erkennen und für die Unternehmen als relevant oder irrelevant einzustufen sind. Die gfm leistet einen Beitrag, indem sie zu diesen Trends Forschung betreibt und den Mitgliedern das Wissen zur Verfügung stellt. Als Stiftungsrätin kann ich so den Austausch unter den Schweizer Unternehmungen fördern und hoffentlich langfristig auch zu einer positiven Unternehmensführung beitragen. Der Anspruch an meine Mitarbeitenden und Victorinox ist, immer besser zu werden, nach smarten Lösungen zu suchen und zugleich auf dem Boden zu bleiben, den Bezug zur Realität nicht zu verlieren. Mit genau dieser Haltung, unseren Fähigkeiten und unserem Zusammenhalt als Team tragen wir dazu bei, dass unsere Marke und unser Unternehmen relevant bleiben.


Wie gestalten Sie Ihre Freizeit? Wie schaffen Sie einen Ausgleich zur Arbeit?

Wir sind für unser mentales und physisches Leben verantwortlich und sollten uns aktiv darum bemühen. Wenn nun Anforderungen von Arbeit, Beruf und Familie ihren Tribut fordern, treten die eigenen Bedürfnisse schnell in den Hintergrund. Von der praktischen Seite her baue ich mir deshalb gezielt «Happiness»-Momente in meinen Outlook-Kalender ein. Keine aussergewöhnlichen Aktivitäten, einfach proaktiv etwas für das persönliche Wohlergehen und Glücklichsein tun. Freundschaften pflegen, einen Spaziergang machen, eine Kunstausstellung besuchen. Bin ich glücklich, überträgt sich dies auch auf die Umgebung und beeinflusst, wie ich mit dieser interagiere.

Gerne verbringe ich auch Zeit mit meinem Mann, beim Tanzkurs, Langlaufen, Vitaparcours oder auf Biketouren. Wir haben unser gemeinsames «Schritte-Ziel pro Monat», bei dem wir uns gegenseitig herausfordern. Gerne laden wir Gäste ein und pflegen ein offenes Haus. Mit Menschen verschiedenen Backgrounds und Alters im Austausch zu sein, sind echte Bereicherungen. Dazu gehören auch die Besuche bei meinen Eltern, deren Gespräche ich sehr schätze.

Im Dezember 2021 fiel der Entscheid im Kantonsrat Schwyz zugunsten des Theresianums aus und die Schule bleibt bestehen. Was sind Ihre Gedanken dazu?

Grosse Erleichterung, dass die Bürger des Kantons Schwyz die Bedeutung einer dezentralen Mittelschullandschaft erkannten und für ein attraktives Bildungsangebot einstanden. Das Nebeneinander von kantonalen und privaten Mittelschulen passt zum föderalistischen Gedankengut der Schweiz und hat zu unserem Wohlstand verholfen. Ein qualitativ gutes und breites Bildungsangebot ist ein zunehmend wichtiger Standortvorteil, der in den kommenden Jahren noch an Bedeutung gewinnen wird.

Zudem stellt für mich als Markenverantwortliche die Stiftschule Theresianum eine Marke mit einer unvergleichlichen, 162-jährigen Geschichte dar, eine verankerte Bildungsstätte für Frauen mit klaren Werten, Haltungen und Einstellungen. Ein einzigartiger Diamant mit grosser Strahlkraft, der gepflegt werden will. Es gilt, die Marke «Theresianum» kontinuierlich dem Zeitgeist anzupassen und zu revitalisieren und dabei sich der Kontinuität zu verpflichten. Die Entwicklungen der Schule in den letzten Jahren verhelfen dem Theri zu einer differenzierenden Markenpositionierung und einem relevanten Markenversprechen. Kurzum: Weiter so, auf Kurs bleiben, mutig sein und nicht aufgeben.

Was möchten Sie den Schülerinnen und Schülern des Theresianums für ihren Lebensweg mitgeben?

Nicht nur für ein Unternehmen ist es unerlässlich, eine Vision zu haben, sondern auch für das eigene Leben. Eine persönliche Vision trägt uns und ist der Stern, der uns in guten und in schlechten Tagen Sinn, Orientierung und Halt gibt. Ich möchte dazu ermutigen, der eigenen inneren Stimme zu folgen und Vertrauen in sich zu haben. Vielleicht macht dieser Traum sogar ein bisschen Angst. Diese Vision gilt es unbeugsam zu verfolgen – und zugleich auch agil und flexibel zu bleiben, denn nicht umsonst heisst es «Viele Wege führen nach Rom». Hat man sich einmal auf den Weg gemacht, gewinnt man mit jedem Meilenstein an Sicherheit und findet seine «Story». Pippi Langstrumpf hat passend gesagt: «Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.»

Zur Reise gehört, dass man Fehler macht, Unsicherheiten begegnet, Widerstand erlebt oder auch etwas erfolglos ausprobiert. Dies bedeutet jedoch nicht das Ende. Fehlversuche sind Teil der persönlichen Wachstums-Biografie. Ganz im Sinne von Nelson Mandela: «I never lose, I either win or learn.» Als letzten Punkt: Findet Menschen als Mentor*innen und Begleiter*innen, die euch aufstellen, unterstützen, mit euch reflektieren, ungeschminkt die Wahrheit sagen und mit Positivismus im Leben stehen.

Mehr Infos

Victorinox Online unter:
https://www.victorinox.com/ch/de

Stiftungsrat der Schweizerischen Gesellschaft für Marketing Online unter:
https://gfm.ch/die-gfm-2/

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Veronika Elsener
Geboren am 11.10.1965 in Sarnen OW

Wohnort
Aufgewachsen in Sachseln OW
Aktuell wohnhaft in Schwyz

Ausbildung
1972 – 1981 Primar- und Sekundarschule in Sachseln (OW)
1981 – 1986 Lehrerinnenseminar Theresianum Ingenbohl, Brunnen
1991 – 1993 Ausbildung Kauffrau

Weiterbildungen
1993 – heute Verschiedene Weiterbildungen in den Bereichen Strategie, Markenführung, Customer Experience, Business Transformation

Berufliche Tätigkeiten
1986 – 1990 Primarlehrerin in St. Niklausen, Obwalden
1991 – 1999 Mitarbeit Finanzen, Export, Marketing, HR, Victorinox, Ibach
2000 – 2009 Verantwortlich Markenkoordination, Victorinox, Ibach
2010 – 2018 Verantwortlich Brand Marketing, Victorinox, Ibach
2018 – heute CMO, Mitglied der Geschäftsleitung, Victorinox, Ibach
2020 – heute Stiftungsrätin der Schweizerischen Gesellschaft für Marketing (Gfm)

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