08.05.2024

Assistierter Suizid

FMS Abschlussarbeit von Lenja Mika und Laura Remorgida

«Das Leben geht oft seltsame Wege. Das Sterben aber auch.»

So schreibt die Buchautorin und Journalistin Silvia Aeschbach über den Prozess des Sterbens.
Sterben ist in unserer Gesellschaft oft ein Tabuthema, über welches nicht gerne gesprochen wird. Aus Angst versuchen wir Gedanken über den Tod zu verdrängen, hoffen aber trotzdem darauf, eines Tages ohne Schmerzen und Leiden einschlafen zu können.

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Im Laufe des Lebens kann es jeden treffen, mit einer unheilbaren teilweise auch sehr schmerzhaften Krankheit diagnostiziert zu werden.
In der Schweiz besteht als eines der wenigen Länder die Möglichkeit, seinem Leiden im letzten Lebensabschnitt selbstbestimmt ein Ende zu setzen und im Rahmen einer Sterbehilfeorganisation aus dem Leben zu treten.
Doch was ist eine Sterbehilfeorganisationen ganz genau, was machen diese und welche Personen betrifft das genau? - Viele dieser Fragen haben wir uns vor circa einem Jahr auch gestellt. Durch unser gewecktes Interesse und Neugierde sind wir durch erstes Informieren auf viele aktuelle Berichte aus der Region gestossen. Wir haben erfahren, dass es keine gesetzliche Regelung bezüglich des Anbietens eines assistierten Suizids in Alters- und Pflegeheimen gibt – das Thema ist also hochaktuell, weshalb wir uns dazu beschlossen, genau hier anzusetzen. Wir haben folgende Leitfrage aufgestellt:

«Welche Beweggründe haben die Heimleiter*innen der Alters- und Pflegezentren im Kanton Schwyz, den assistierten Suizid in ihren Räumlichkeiten anzubieten oder abzulehnen?»

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Im folgenden Text wollen wir euch das Thema des assistierten Suizids in den Alterszentren im Kanton Schwyz ein bissen näherbringen und euch einen Einblick in das Wissen verschaffen, welches wir uns über dieses wichtige Thema während eines halben Jahres angeeignet haben.
In einem ersten Schritt greifen wir die Frage von oben auf und klären, was eine Sterbehilfeorganisation überhaupt ist und was sie macht.
Die Sterbehilfe umfasst Maßnahmen, die das Lebensende einer Person beschleunigen. In der Schweiz werden diese in vier Formen unterteilt. Die direkte aktive Sterbehilfe, die indirekte Sterbehilfe, die passive Sterbehilfe und die Beihilfe zum Selbstmord, auch assistierter Suizid oder Freitodbegleitung genannt. Das ist auch die Form, von der es in unserer Arbeit vor allem handelt.
In der Schweiz bestehen 6 Organisationen, die für Hilfesuchende einer Freitodbegleitung ansprechbar sind. In unserer Arbeit haben wir uns auf die 2 grössten begrenzt – EXIT (deutsche Schweiz) und Dignitas – menschenwürdig leben, menschenwürdig sterben. Im Rahmen dieser Organisationen können Freitodbegleitungen durchgeführt werden. Die Organisationen stehen für die Sicherung der Selbstbestimmung und für das Recht des Menschen auf einen humanen Tod. Dabei geht es ihnen an erster Stelle um menschenwürdiges Leben und erst an letzter Stelle um menschenwürdiges Sterben. Die beiden Organisationen stehen für die gleichen Werte, unterscheiden sich jedoch in einem grossen Aspekt. Während EXIT ihre Hilfe meistens nur Schweizer Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung stellt, bietet Dignitas auch Menschen aus dem Ausland ihre Hilfe an. Nur 7% der Mitglieder von Dignitas sind selbst Schweizer*innen.

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Damit eine Person mit einem assistierten Suizid aus dem Leben treten kann, müssen gewisse Bedingungen erfüllt sein. Für die meisten davon braucht es eine ärztliche Bestätigung. Dieser Weg ist mit einem langen Abklärungsprozess verbunden.
Die Person muss:
- eine zum Tod führende Erkrankung haben.
- unerträgliche Beschwerden wie Altersschmerzen haben.
- eine unzumutbare Behinderung haben.

Die Person muss zudem:
- urteilsfähig sein.
- nicht aus dem Affekt handeln.
- einen dauerhaften Sterbewunsch haben.
- den Suizid eigenhändig ausführen können.
- ein ärztliches Rezept für das Sterbemittel haben.

Der assistierte Suizid in Alters- und Pflegezentren ist ein Thema, das eng mit politischen Entscheidungen und Gesetzen verbunden ist. Im Kanton Schwyz bestand bis vor kurzem keine einheitliche Regelung zum assistierten Suizid in Alterszentren. Im November 2022 stellten Vertreter*innen der SP eine Interpellation an den Regierungsrat, um zu erfragen, wie der assistierte Suizid in den Alterszentren im Kanton Schwyz geregelt ist.

Die zentrale Antwort des Regierungsrates lautete, dass es keine gesetzliche Verpflichtung für Alters- und Pflegezentren gibt, den assistierten Suizid anzubieten. Da es keine einheitlichen Regelungen gab, entstand eine Bewegung linker Parteien, die eine einheitliche Regelung für alle Alterszentren forderte. Im Mai 2023 fand eine Abstimmung statt, bei der die Einführung einer einheitlichen Regelung mit 68 zu 21 Stimmen abgelehnt wurde. Daraus resultiert, dass es den Alters- und Pflegezentren selbst überlassen ist, ob sie den assistierten Suizid anbieten oder nicht.

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Uns hat interessiert, welche Beweggründe die Verantwortlichen der Alterszentren für oder gegen das Anbieten eines assistierten Suizids bewogen hat.
Insgesamt haben wir sechs Alters- und Pflegezentren in der Umgebung Schwyz befragt. Die Heimleiter*innen haben uns ihre Standpunkte erläutert und erklärt, wieso sie diesen Akt zulassen oder ablehnen. Vier der Institutionen bieten die Möglichkeit bei sich an. Sie begründeten ihre Haltung mit folgenden Argumenten:

1. Selbstbestimmungsrecht
2. Bedeutung des letzten Zuhauses
3. Finanzielle Lage

Eines der Alterszentren war deutlich gegen das Anbieten des assistierten Suizids. Eine weitere Institution befand sich während der Interviews noch in einem Entwicklungsprozess, sie wollen den Akt erst in Zukunft anbieten. Von dieser Seite kamen folgende spannenden Argumente ans Licht:

1. Religion
2. Die Unbehaglichkeit des Pflegepersonals
3. Die geringe Nachfrage
4. Angebot der Palliativ Care

Es sind Tatsache, dass Menschen aufgrund der Lebensumstände immer älter werden, dass die jetzige Generation dem Selbstbestimmungsrecht nähersteht und dass der religiösen Glaube abnehmen wird. Die Entwicklung zeigt, dass assistierter Suizid kein Tabuthema mehr sein darf und in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird.

Text: Lenja Mika, Laura Remorgida

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Autor: Daniel Steiner